Seit 11.03.2020 spricht die WHO von einer Coronavirus Pandemie. Verursacht wird die Coronavirus Krankheit (COVID-19) durch das SARS-CoV‑2 Virus. Die Erkrankung manifestiert sich als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten. Bei 81 % Patienten ist der Verlauf mild, 14 % erkranken schwer und 5 % der Patienten kritisch [1]. Das erste Auftreten wurde im Dezember 2019 in der Millionenstadt Wuhan in der Provinz Hubei (China) dokumentiert. Am 07.04.2020 meldete die Johns-Hopkins-Universität bereits 1.348.628 registrierte, die Welt umspannende Infektionsfälle. Die Letalität lag zu diesem Zeitpunkt der Pandemie bei 5,6 % (n = 74.834 an Covid-19 Verstorbene). Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass das Vorhandensein und die Zahl von Komorbiditäten (wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und koronare Herzerkrankungen) mitentscheidend ist für das Outcome der Patienten [2].

Trotz vieler klinischer Parallelen zu einer viralen Infektion der oberen und unteren Atemwege mit Influenzaviren, SARS oder MERS, alle mit einer vergleichbaren initialen Klinik (Husten, Fieber, Cephalgien und Myalgien), dem Übertragungsweg (Tröpfcheninfektion) und der sehr variablen Symptomatik von symptomlos bis zu kurzen letalen Verläufen, gab es bis zu dieser Pandemie keine Handlungsempfehlungen basierend auf evidenzbasierten Daten für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Dasselbe galt für die Bedeutung oder den Einfluss einer dauerhaften immunsuppressiven oder immunmodulierenden Therapie. Wöchentlich zunehmende Daten aus China und Italien zeigen aber, dass schwere Verlaufsformen und Komplikationen in jedem Alter auftreten können, und bei Patienten ab dem 60. Lebensjahr und solchen mit chronischen Grunderkrankungen deutlich häufiger.

In der letzten Influenza-Saison (40. Meldewoche (MW) 2018 bis 20. MW 2019) wurden laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) 182.000 labordiagnostisch bestätige Fälle dokumentiert. Davon waren 98,5 % durch Influenza A verursacht. Lediglich bei 0,7 % der Patienten konnte Influenza Typ B nachgewiesen werden. Dies legt laut RKI die Vermutung nahe, dass eine höhere Immunität gegen Influenza Typ B herrscht und könnte dadurch begründet sein, dass die letzte Grippe-Saison vordergründig durch Influenza Typ B verursacht wurde. 33 % der Fälle wurden in der Altersgruppe 35–59 dokumentiert. 25 % der Betroffenen waren über 59 Jahre. Die Altersgruppe 5–14 Jahre war dagegen am wenigsten betroffen. Unter den diagnostisch bestätigten Fällen befanden sich 40.000 hospitalisierte Fälle. Diese teilten sich auf in 54 % Betroffene über 60 Jahre, 19 % in der Altersgruppe 35–59 Jahre und 6 % in der Altersgruppe 5–14 Jahre auf. 64 % der hospitalisierten Fälle wiesen ein Alter über 79 Jahre auf. Schwere Komplikationen, wie z. B. eine schwere Pneumonie oder Lungenversagen (ARDS), waren in allen Altersgruppen nachweisbar. Bei der älteren Patientengruppe (>79 Jahre) war ein höherer Anteil an letalen Verläufen als Fälle mit notwendiger Beatmung zu verzeichnen. Der Altersmedian der gemeldeten Fälle lag bei 40 Jahren, bei den hospitalisierten Fälle bei 63 Jahren und bei den letal verlaufenden Fällen bei 78 Jahren. Insgesamt wurden 954 Influenza-bedingte Todesfälle gemeldet. 52 % der Verstorbenen waren männlich, 86 % über 59 Jahre und 12 % in der Altersgruppe 35–59 Jahre. Da die Meldung von Influenza an den labordiagnostischen Nachweis gekoppelt ist, die meisten Erkrankungen im Verlauf einer Grippewelle aber rein klinisch diagnostiziert werden, liegt wahrscheinlich eine erhebliche Untererfassung von Influenza-Erkrankungen vor [3].

Diverse Literaturquellen weisen auf eine erhöhte Infektneigung von Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen oder immunsuppressiven Therapien hin [4, 5]. Um das Infektionsrisiko für diese Patienten abschätzen zu können, sind individuelle Betrachtungen von Grunderkrankung und immunsuppressiver Therapie notwendig. Eine relevante Rolle hierbei spielt (vor allem in Langzeitdosierung) der Einsatz von Corticosteroiden. So konnte in einer Analyse des RABBIT Registers gezeigt werden, dass das Risiko für Infektionen mit der Dosis deutlich ansteigt und z. B. eine Steroiddosis zwischen 7,5 und 14 mg ein höheres Infektionsrisiko birgt als unter TNF-α-Hemmern [6]. Ein weiterer wichtiger Aspekt für das Infektionsrisiko ist die Krankheitsaktivität. Das Infektionsrisiko sinkt bei Remission [7]. Weitere Faktoren, die die Infektwahrscheinlichkeit beeinflussen, sind das Alter (Immunoseneszenz) und die Komorbiditäten der Patienten [4, 8].

Zusammenfassend ergibt sich hieraus, dass in erster Linie mithilfe der antirheumatischen Therapie eine klinische Remission der Grunderkrankung erzielt werden sollte, um unnötig hohe Steroiddosen zu verhindern und insgesamt das Infektrisiko zu minimieren. Dies setzt, neben einer adäquaten rheumatologischen Betreuung, auch eine entsprechende Compliance der Patienten voraus. Diese noch nie dagewesene Pandemie stellt daher eine Herausforderung für beide Aspekte dar. Bislang fehlt die Erfahrung zur Handhabung der antirheumatischen Therapie bei einer COVID-19-Infektion. Aus diesem Grund war es für die Initiatoren dieser Studie in erster Linie wichtig zu erfahren, wie unsere Patienten die aktuelle Situation in Bezug auf ihre antirheumatische (immunsuppressive oder -modulierende) Therapie wahrnehmen.

Nach unmittelbarer Erteilung des Ethikvotums durch die Justus-Liebig Universität Giessen als federführende Institution wurde mithilfe eines Fragebogens Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung bezüglich ihrer Einschätzung zu ihrer immunmodulierenden Therapie befragt. Bis zum Zeitpunkt der Einreichung dieser Publikation nahmen an dieser Untersuchung 5 rheumatologische Kliniken aus 3 Bundesländern und 6 rheumatologische Schwerpunktpraxen, ebenfalls aus 3 Bundesländern teil (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verteilung der Studienzentren und deren Aktivität (regionenbezogen)

In dem Zeitraum 16.03.2020–03.04.2020 konnten 656 Patienten in die Befragung eingeschlossen werden. Die Befragung erfolgte komplett anonym ohne Angabe des Geschlechts. Im Fragebogen wurde die entzündlich-rheumatische Erkrankung, das Alter in Altersintervallen, die aktuelle antirheumatische Medikation und die Meinung bezüglich der immunmodulierenden Therapie erfragt. Die Altersverteilung gestaltete sich bislang wie folgt: 28 % im Alter von 51–60 Jahren; 24 % im Alter von 31–50 Jahren; 21 % im Alter von 61–70 Jahren; 7 % im Alter von 18–30 Jahren; 2 % im Alter von über 81 Jahre (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Prozentuale Altersverteilung der bis zum 07.04.2020 befragten Patienten

56 % der Patienten wiesen eine rheumatoide Arthritis auf, gefolgt von einer Psoriasisarthritis (12 %) und Spondylitis ankylosans (10 %). Die restlichen 22 % der Erkrankungen verteilten sich auf die in (Abb. 3) dargestellten Entitäten. Unter sonstige Erkrankungen (8 %) wurden u. a. (noch) nicht klassifizierbare rheumatologische Erkrankungen, Sarkoidose, Kristallarthropathien zusammengefasst.

Abb. 3
figure 3

Prozentuale Verteilung der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen der bis zum 07.04.2020 befragten Patienten

36 % der Befragten befanden sich unter einer Therapie mit Methotrexat (MTX). Bei 30 % der Patienten lag eine Mono- oder Kombinationstherapie mit Corticosteroiden vor. NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika) wurden als Mono- oder Kombinationstherapie bei 16 % verwendet. 8 % der Patienten standen unter Therapie mit Hydroxychloroquin (HCQ). Tocilizumab und Adalimumab (ADA) wurden in 6 % und Etanercept in 5 % der Fälle angewendet. Die übrigen Therapieoptionen wurden bei unter 5 % der Patienten eingesetzt (Abb. 4). Bezüglich der persönlichen Meinung zur antirheumatischen Therapie standen 7 Antwortmöglichkeiten zur Auswahl:

  1. 1.

    Therapiefortführung ohne Bedenken

  2. 2.

    Fortführung der antirheumatischen Therapie, da das Risiko einer Zunahme der Entzündungsaktivität höher ist als die einer COVID-Infektion

  3. 3.

    Fortführung der Medikation, da keine Alternative besteht

  4. 4.

    Fortführung gemäß der ärztlichen Empfehlung, persönlich würde die Medikation lieber abgesetzt werden

  5. 5.

    Eigenmächtiges Absetzen

  6. 6.

    Absetzen gemäß ärztlicher Empfehlung

  7. 7.

    Bislang keine Meinung bezüglich der antirheumatischen Therapie und einer Corona-Infektion

Abb. 4
figure 4

Prozentuale Verteilung von DMARDs der in der Studie untersuchten Patienten

Die Verteilung der Antworten gestaltete sich wie folgt: 57 % Antwort 1, 16 % Antwort 2, 20 % Antwort 3, 6 % Antwort 4. Die Antworten 5–7 lagen bei unter 2 % (Abb. 5). Insgesamt würden somit 98 % der Patienten die Therapie ohne oder sogar trotz Bedenken fortführen. Lediglich 2 % der Befragten würden die Medikation eigenmächtig absetzen. Interessanterweise zeigt sich eine örtliche Häufung der Patienten, die eine Therapie absetzen würden (Abb. 6). Die Standorte Porz am Rhein, Köln-Ehrenfeld, Bad Kreuznach, Bad Nauheim und Wuppertal waren davon häufiger betroffen. Möglicherweise hängt dies mit der Prävalenz der COVID-19-Infektionen in den Regionen zusammen, oder aber auch, dass Schwerpunktpraxen noch mehr Hausarztfunktionen mit engerem Kontakt zu den Patienten übernehmen als überregionale rheumatologische Referenzkliniken. Die Auswahl der Antworten unterschied sich interessanterweise nicht in den jeweiligen Krankheitsentitäten (Abb. 7).

Abb. 5
figure 5

Prozentuale Verteilung der Antworten der in der Studie untersuchten Patienten

Abb. 6
figure 6

Prozentuale Verteilung der Antwort „eigenmächtiges Absetzen“ nach Standorten

Abb. 7
figure 7

Prozentuale Verteilung der Antworten nach Krankheitsgruppen

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der überwiegende Anteil der Befragten unabhängig von der Erkrankung oder Medikation keine Bedenken bezüglich der Fortführung der Therapie auch in Zeiten der COVID-19 Pandemie aufwiesen. Die individuelle Patientenentscheidung zur Fortführung der DMARD Therapie deckt sich zum aktuellen Zeitpunkt mit den Expertenempfehlungen der DGRh, die durch Rezidive bzw. einen Schub der Grunderkrankung ein höheres Infektrisiko postulieren und die u. a. in einer solchen Situation bei dann möglicher Intensivierung der antirheumatischen Therapie (z. B. durch Steroidstoß) eine größere Gefährdung der Patienten implizieren. Die Auswertung der Umfrage zeigt jedoch auch, dass die Mehrheit der Patienten den ärztlichen Empfehlungen folgt. Dieses spiegelt in diesen außergewöhnlichen Zeiten die vertrauensvolle Beziehung zwischen Patienten und Rheumatologen wider. Prospektiv sollen auch in der nun kommenden Phase der Pandemie weitere Daten gesammelt werden, um die Entwicklung der Einstellung der Patienten erfassen und für zukünftige Szenarien beurteilen zu können.

Fazit für die Praxis

  • Über 90 % der befragten Patienten folgen der rheumatologischen Empfehlung, ihre antirheumatische Medikation trotz der COVID-19-Pandemie fortzuführen.

  • Lediglich 4 % der Patienten würden ihre Therapie lieber absetzen, folgen aber der ärztlichen Empfehlung.

  • 1 % der Befragten setzt die Medikation eigenmächtig ab

  • Die Resultate spiegeln eine vertrauensvolle Arzt-Patienten Beziehung auch in Zeiten einer bedrohlichen Pandemie wider